VREDEN Die Diskussion hatte es in sich: Auf der einen Seite Bärbel Höhn und die Grünen mit ihrer Forderung nach einer neuen Landwirtschaftspolitik, auf der anderen heimische Landwirte, die keine Alternative zur Aufstockung ihrer Tierbestände oder zum „Füttern“ ihrer Biogasanlagen mit Mais sehen. Und doch: In das gegensätzliche Schwarz und Weiß mischten sich Grautöne.
Einige Landwirte nickten bei der Podiumsdiskussion am Dienstagabend im Saal Meyerink, als Höhn sagte: „Massentierhaltung gehört nicht in den Außenbereich.“ Vor zwölf Jahren, als sie erste grüne Landwirtschaftsministerin war und auch schon in Vreden mit Landwirten diskutierte – damals über Naturschutz – wäre Zustimmung undenkbar gewesen, blickte Höhn zurück. „So unrecht hatte sie gar nicht“, höre sie heute aber dann und wann sogar aus der Landwirtschaft. Genügend Gegenwind für eine lebhafte Diskussion gab es dennoch in Vreden.Auch viele heimische Landwirte sind nicht unbedingt Fans der riesigen Stallanlagen – oft noch in Lohnmästerei betrieben. Für Höhn steht fest: Die Probleme, die die Niederlande und das Land Niedersachsen schon jetzt hätten, würden mit der aktuellen Politik heraufbeschworen. „Solchen Investitionen würden wir Knüppel zwischen die Beine werfen“, machte sie die Haltung der Grünen deutlich, als ein Vredener Landwirt seine Situation schilderte: Sein Sohn wolle unbedingt den Betrieb weiterführen. Der bestehende Hof sei zu klein. Nun müsse er „in die Feldflur“, dort zwei Ställe für insgesamt mehr als 80 000 Hähnchen bauen – ob ihm das nun selbst passe oder nicht. Der Betrieb müsse doch wirtschaftlich arbeiten.“Falsche Beratung“ Höhn kritisierte, dass die Bauernverbände den Landwirten rate, solche Investitionen zu tätigen. Wer das nun tue, müsse später die Konsequenzen tragen, warnte sie. Denn für sie stehe mit Blick in die Nachbarländer fest, dass es so nicht weitergehe. Aber auch die Landwirte vor Ort wüssten ja darum, meinte sie: Der Druck auf die Fläche, die hohen Pachtpreise – es sei höchste Zeit für eine flächengebundene Tierhaltung und eine Änderung der Gülleverordnung – und überhaupt für mehr Regionalität bei der Vermarktung und für mehr Transparenz. Für eine solche neue Politik sahen viele der anwesenden Landwirte aber keine Chance: „Das ist doch alles total überdreht hier. Es gibt kein Patentrezept, und kein Zurück“, war sich ein „kleiner Landwirt“ aus Stadtlohn mit Blick auf die knappe Fläche sicher. Er gab den Grünen eine Mitschuld an der Misere – Stichwort Biogasanlagen. Diese seien zu sehr gefördert worden. „Ich stehe zu meinen Fehlern, aber das war die Große Koalition“, reichte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag die Kritik weiter: „Den Gülle-Bonus auf alte Anlagen da drauf zu schlagen, war ein schwerer Fehler.“ Etwa 2004 sei klar geworden, dass der „Nawaro-Bonus“ Probleme mache – das hätte revidiert werden müssen. „Die blöde Kombi Gülle-Mais hätten wir nie gemacht“, betonte Höhn. „Wird schwierig“ Der Druck auf die Fläche mache vor allem den kleinen Bauern zu schaffen. Ein Wandel, wie ihn die Grünen anstreben, würde im Kreis Borken sicher schwieriger als anderswo im Süden von NRW. Mit Blick auf die vorgebrachten Alternativen blieben die Landwirte aber skeptisch: „Mit Regionalität werden Sie die Leute hier nicht in Lohn und Brot halten“, brachte es einer auf den Punkt.
Münsterlandzeitung vom 27.03.2013 Von Anne Winter-Weckenbrock